Ein heißer Sommertag. Die Luft flimmert über dem Asphalt, die Freibäder bersten fast unter dem Andrang und meine Kugel Zimteis schmilzt schneller, als ich sie essen kann. Es ist einer dieser Tage, an denen ich am liebsten auf meiner Vespa zu meinen Terminen zu fahre. Zwar schafft der Fahrtwind keine Abkühlung. Doch das ist egal. Ich nehme die Landstraße, die ein Stück durch ein kühlendes Waldstück führt und vorbei an einem Café. Für einen Moment hängt der Duft von ofenfrischen Hefekuchen und wenig später der gemähten Weizenfelder in meiner Nase. Ich fahre und fahre und ich lächle.
An diesem Nachmittag bin ich als Journalistin für ein Magazin unterwegs. Ich fühle mich wie Karla Kolumna, ‚SENSATIONELL‘, denke ich, obwohl ich weiß, dass ich dafür eigentlich zu alt bin. Ändert das was? Nein. Es macht mich glücklich. Und immer wenn ich anderen Menschen erzähle, dass ich Vespa fahre, beobachte ich ähnliche Reaktionen: ein sehnsuchtsvolles oder begeistertes ‚OOHH‘. Vespa – das sind Emotionen. Das ist Italien. Das ist Sommer. Freiheit. Amore.
Nicht zufällig schreibe ich über Karla Kolumna aus Neustadt oder meine Vespa aus dem toskanischen Städtchen Pontedera. Das fällt mir allerdings erst auf, als ich bereits in Gedanken mitten in meiner Geschichte bin. Ich wollte über ein Interview schreiben. Und wo lande ich? Bei Marken, die ein Gefühl in mir auslösen. Obwohl, wenn ich es recht überlege, ist der gedanklich Weg von einem zu anderen gar nicht so weit.
Ein kurzer Sprung in die Vergangenheit:
Ich bin 18 Jahre alt. Vor knapp zwei Wochen habe ich mein Abi gemacht. Es liegen über acht Wochen Ferien vor mir. So viel Zeit, wie ich ihn meinem Leben vermutlich nie wieder am Stück haben werde. Endlose Sommertage am See. Partys. Punkkonzerte. Freunde treffen. Am Ende des Sommers werde ich aus meiner Heimatstadt wegziehen. Ich werde meine erste eigene Wohnung haben, morgens zur Arbeit gehen und neue Freunde finden. Ich werde mich verändern. Aber zu dem Zeitpunkt, als der Sommer gerade erst beginnt, bin ich unverfälscht ich. Ich erinnere mich an Andrew aus England. Ihn lerne ich in diesem Sommer in einem Workcamp kennen. Mein Englisch ist schlecht und sein Deutsch rudimentär. In dieser Konstellation haben wir einen weinseligen Abend lang darüber diskutiert, dass er zu mir sagte: „Anja, you are a strange woman.“
Das ist nun fast dreißig Jahre her. Ab und an denke ich an Andrew. Wir haben uns nie wieder gesehen und keine Adressen ausgetauscht. Einzig ein Foto habe ich irgendwo in einer Kiste noch von ihm. Und ja, er hatte recht. Damals, so vermute ich, noch mehr als heute. Aber: Er hatte recht.
Es folgten Jahre, in denen ich mich oft fragte, wer ich sei, wer ich sein will und wer ich damals war. Heute bin ich die, die ich bin. Ich beobachte mich staunend an manchen Tagen und lache viel und herzlich über mich. Manchmal traue ich mich nicht, meine Meinung offen auszusprechen, aus der altbekannten Angst heraus, dass man mich dann nicht mehr mögen könnte. In solchen Momenten denke ich an die vielen tollen Menschen, die ich in den vergangenen vier Jahren interviewt habe. Eigentlich gibt es nichts Schöneres für mich als Menschen, die sich nicht verstecken. Wenn sie ihre Meinung sagen – und ich diese auch schreiben darf. Also ohne den Zusatz: „Das drucken Sie aber nicht!“ Menschen mit Ecken und Kanten haben Geschichten zu erzählen, sie stürzen sich in Abenteuer und genießen ganz oft das Leben mit seinen kleinen Freuden. Ich traf einen CEO, der einen lebensgroßen Albatros in seiner Scheune baute, um ihn irgendwann vielleicht fliegen zu lassen. Ich traf einen Vorstandsvorsitzenden der für sein Leben gern Stockcar-Rennen fuhr – das sind so selbst zusammengeschraubte Autos, mit denen man durch den dicksten Schlamm fährt. Ich sprach mit Künstlern, Tänzern, Professoren, Erbinnen und Wohltäterinnen.
Ich schrieb ihre Storys. Bei ihnen liegen die Geschichten oft an der Oberfläche. Sie drängt sich mir bereits beim Hören auf. Manchmal ist es ein einzelner Satz im Interview, an dem eine ganze Geschichte hängt. Und dennoch. Ich bin der festen Überzeugung, dass jeder Mensch eine Geschichte in sich trägt, die es wert ist, erzählt zu werden. Als ich mich 2012 als Texterin selbstständig machte, sah ich in mir selbst keine Geschichten, die ich hätte aufschreiben wollen. Ich fand mich nicht einmal ’strange‘. Irgendwann stolperte ich über den Begriff ‚Storytelling‘ im Marketing und über Markenbildung und Branding. Ich war wie elektrisiert. Sofort wusste ich – das ist mein Thema. Denn entgegen der landläufigen Meinung, man könne eine Marke ‚erfinden‘, habe ich gelernt, dass sie aus dem Wesenskern erwächst. Ecken und Kanten müssen dabei nicht hart sein, aber sie wecken unsere Aufmerksamkeit.
Stell dir vor, ich komme als Journalistin zu dir und möchte dich interviewen. Welche Story würdest du mir erzählen? Schreibe sie auf und teile sie mit mir. Wenn du nur eine wage Vorstellung davon hast, welche Geschichte es sein könnte, dann schreibe eben diese auf. Nimm dir eine kleine halbe Stunde Auszeit und notiere alle Gedanken in ein Notizbuch, die dir spontan kommen. Denke nicht darüber nach, sondern lasse es fließen. Dies ist der erste Schritt auf der Reise zu deiner Markenpersönlichkeit. Denn deine Intuition weiß viel mehr über deine geheimen Wünsche als dein Verstand.
Kleiner Fun Fact: Unserem Gehirn ist es egal, ob Geschichten wahr sind oder Fiktion. Es reagieren dieselben Hirnareale, egal ob uns ein realer Mensch gegenübersitzt oder ein trauriger Kinofilm läuft. Hauptsache die Story berührt unser Herz. Oder hast du noch nie im Kino geweint? Darin liegt die Magie des Storytelling. Wir berühren mit guten Geschichten immer die Herzen der Menschen.
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