Creative-Writing für mehr Leichtigkeit beim Schreiben
Ich liebe Creative Writing und setze es in meinem Seminaren immer ein, um meine Teilnehmer*innen zu ihrer eigenen Schreibstimme zu führen. Ich mag die englische Version lieber als das Deutsche ‚Kreatives Schreiben‘ – für mich persönlich eröffnet Creative Writing einen weiteren kreativen Raum. Aber das ist vermutlich Geschmackssache. Wichtig ist doch, wie wir diesen Raum füllen.
Viel zu oft höre ich: ‚Ich kann nicht schreiben.‘ Nein. Wir haben nur verlernt oder im schlimmsten Fall nie gelernt, unsere Intuition die Feder führen zu lassen. Da sind die Grammatikregel, Rechtschreibregeln, Stilregel – und wo bleibt die Kreativität?
So erlebe ich in meinem Alltag auch immer wieder, dass Geschäftsmails in ihrer sprachlichen Steifheit jeder deutschen Behörde aufs Schärfste Konkurrenz machen. Aua! Dabei tragen wir den Schatz alle in uns. Nicht jeder hat den Drang ein literarisches Meisterwerk zu schreiben. Das muss auch nicht das Ziel sein. Aber jeder kann mit Creative Writing zu seiner eigenen Schreibstimme finden – die Stimme, die ja sowieso ständig in unserem Inneren ihren Senf dazugibt. Lassen wir sie doch mal reden und schreiben einfach mit. Vielleicht hat sie ja etwas Interessantes beizutragen?
Auch ich bin übrigens eine Spätberufene. Erst mit Ende 30 habe ich begonnen zu schreiben. Mit 45 Jahren habe ich einen Journalistenpreis bekommen. Das kam nicht von ungefähr. Ich habe selbst viele Kurse besucht und Bücher zum Schreiben gelesen. Noch heute lasse ich mich von anderen Lehrer*innen inspirieren. Und gebe diese Impulse an meine Studierenden an der Uni weiter. Eines ist sicher: Schreiben lernt man nur, indem man schreibt.
Deshalb hier ein kleiner Selbstversuch im Creative Writing: Ich habe ein banales Alltagserlebnis von mir genommen und es meiner fiktiven Protagonistin Louisa übergeben. Lies, was sie daraus gemacht hat 😉
Creative-Writing-Selbstversuch: Samstagsvormittagsgedanken
Louisa sitzt im Café. Vor sich zwei leere Kaffeetassen. Nur wenige Minuten zuvor, saß sie hier mit ihrer Freundin in ein Gespräch vertieft. Nun hängt sie ihren Gedanken nach. Sie beschließt, noch einen Milchkaffee zu bestellen und dem Gefühl nachzuspüren, das in ihr ist. Sie holt ihr Notizbuch aus dem Rucksack, ihren neongelben Kugelschreiber und beginnt zu schreiben – von einer Frau, die an einem sonnigen Samstagnachmittag in einem Café sitzt.
Samstage in einer menschenüberquellenden Innenstadt haben eine andere Energie als ein schnöder Mittwochvormittag, wo nur vereinzelt Menschen am Schaufenster des Cafés vorbeieilen. An Samstagen herrscht eine gemütliche Geschäftigkeit. Vormittags ist in der Stadt meist die intellektuelle Elite unterwegs – die Doktoren und Professorinnen und Professoren der kleinen Universitätsstadt. Sie gehen samstagmorgens zum Wochenmarkt, kaufen Biogemüse und erfüllen vermutlich noch allerhand andere Klischees.
Louisa beobachte sie gern. Sie denkt sich manchmal kleine Geschichte zu ihnen aus. Städtergeschichten. Sie selbst zog erst für ihr Studium in diese Stadt. Nicht ins teure Intellektuellenviertel, sondern in ein Studentenwohnheim, wo sie 200 Euro für eine zweieinhalb-Zimmer-Wohnung bezahlte. Unbezahlbar die Freundschaften, die sie dort schloss.
Nachdem sie ihrem Abschluss an der Uni hatte, zog es sie jedoch aufs Land. Sie wollte ein wenig abseits des Trubels leben. Dass sie sich von einem romantisch verklärten Trugbild hatte leiten lassen, dass erkannte sie erst später – als ihre Möbel im alten Fachwerkhaus bereits ihren Platz gefunden hatten, die Kisten größtenteils ausgepackt waren und ihr Sohn keinen Anspruch mehr auf seinen Hortplatz in der Stadt hatte. Denn ohne es zu ahnen, hatten sie eine Landkreisgrenze überschritten und somit den kostenlosen Anspruch auf Kinderbetreuung verwirkt – wie sie geschockt erkannte.
Einige Jahre sehnte sie sich noch zurück in die Stadt. Irgendwann wurde das Sehnen schwächer und schwächer, bis sie dann doch angekommen war, wo sie schon lange lebte. Mittlerweile ist es für Louisa umso schöner, in einem Café zu sitzen. Nun liegt wieder etwas Besonderes darin. Eine Auszeit. Eine Verabredung. Ein Raus-aus-dem-Alltag. So wie heute. Cafés sind Orte der Begegnung – und das liebt sie. Menschen zu begegnen, sodass sie für einen Moment Teil ihres Lebens werden. Manchmal sogar zu einer Erinnerung.
Und schon immer waren Cafés für sie wie ein Magnet, wenn sie an einem neuen Ort kam. Immer suchte sie zuerst die Straßen ab nach einem gemütlichen Café, einem Bistro oder kleinem Restaurant. An einem Tisch sitzend mit einer Tasse dampfenden Kaffees vor sich, lässt sich die Atmosphäre einer Stadt viel besser erspüren als anderswo. Wenn von den Tischen rechts und links kleine Gesprächsfetzen herüberschwappen. Wenn Menschen ihr zulächeln oder auch nicht. Egal. Sie wird Teil einer Szene, eines Schauspiels, indem sie nicht mehr sein muss als eine Statistin. Und dennoch: unverzichtbar.
Creative Writing Tipp:
Ändere die Perspektive und beschreibe eine Alltagsgeschichte. Schreibe also nicht ‚Ich war heute auf dem Weg zum …‘, sondern: ‚Sie/Er war gerade auf dem Weg zum …, als …‘. Gib deiner Figur einen Namen (nicht deinen eigenen). Dann beginne zu schreiben und schau, was passiert.
Das spannende an diesem ‚Experiment‘ ist, dass man zu sich selbst einen gewissen Abstand bekommt. Wenn ich schreibe und eine Begegnung zum Anlass nehme, die tatsächlich stattfand, aber die nun einer anderen Person passiert, wird Fiktion daraus. Meine Louisa bin ich und bin ich nicht. Die Grenzen verschwimmen beim Schreiben und ich entscheide nicht immer bewusst, wohin mich die Geschichte führt. Louisa entscheidet. Denn es ist ihre Geschichte.
Wenn du Lust hast, schick mir gern deine Geschichte. Ich freue mich drauf!
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